Wiktor Wechselberg betrachtet Innovation als eine globale Herausforderung.

 Es ist erstaunlich, wie Lösung für Probleme in der Ver-gangenheit heute noch rele-vant sein können. Denken Sie an Peter den Großen, der Russland im frühen 18. Jahrhundert neu erfundensisterstaunlich,wieLösunund international etabliert hat. Inspiriert von seinen Reisen durch Europa und dem Geist der Aufklärung, verstand er, dass Russland sich ändern musste. Er warb Fachleute und Berater an, setzte auf tech-nologische Innovation und suchte den Aus-tausch mit führenden Wirtschaftsnationen. Daher kann es kaum Zufall sein, dass sich die Vertreter der G20 derzeit in St. Petersburg treffen, um über Wachstum und Wege für mehr Innovation zu beraten.

Ich möchte den Teilnehmern des Gipfel-treffens noch einen weiteren Gedanken mit auf den Weg geben. Wir alle – und damit meine ich die Volkswirtschaften der Welt – sitzen im selben Boot. Wir sind daher viel mehr Verbündete als Wettbewerber. In ei-ner Zeit, in der viele europäische Staaten mit der Rezession kämpfen, ist Russland ei-ner der wenigen „Wachstumspunkte“. An-gesichts dessen profitieren Europa und der Rest der Welt vom anhaltenden Wachstum in Russland. Die weitere wirtschaftliche Ent-wicklung solch großer Märkte kann ande-ren Ländern dabei helfen, die Rezession zu überwinden, gerade, wenn sie wirtschaft-lich eng verzahnt sind.

Heute müssen wir die globale Ordnung erneut infrage stellen, um neue Impulse für einen weltweiten Aufschwung zu finden. Dabei ist die Einbindung Russlands wie auch anderer aufstrebender Wirtschafts-mächte in die globalen Wertschöpfungsket-ten ein wichtiger Teil der Lösung, denn In-novation findet im globalen Kontext statt.

Auf diesem Weg ist Russland mit der Schaffung eines ‚St. Petersburg des 21. Jahr-hunderts‘ den ersten Schritt gegangen – des seit 2010 bei Moskau entstehenden Innova-tionszentrums Skolkowo. Dieses von der

Regierung initiierte Projekt ist sowohl Kern unserer neuen Innovationsstrategie als auch Ausblick in die wirtschaftliche Zukunft des Landes. Es ist ein Experimentierfeld, in dem Wissenschaftler, junge Unternehmer und Firmen aus aller Welt, auch Deutsch-land, gemeinsam an neuen Lösungen und Geschäftsmodellen arbeiten, etwa in der Energieeffizienz, IT oder Biomedizin. Skol-kowo ist bereits heute eine der bedeutend-sten russischen Ideenschmieden und globa-ler Forschungsstandort. Seit 2011 entsteht zudem in Kooperation mit dem Massachu-setts Institute of Technology (MIT) eine neue Universität. Skoltech, so der Name, ist eine Schnittstelle zwischen einigen der weltbesten Universitäten und russischen Wissenschaftszentren.

Vor kurzem kündigte Wladimir Putin an, bis 2020 25 Millionen neue Jobs im Land zu schaffen. Drei Jahre nach der Gründung sind in Skolkowo bereits 1000 Start-ups und 12 000 neue Jobs entstanden, von de-nen jeder zehnmal mehr zum BIP-Wachs-tum beiträgt wie ein „normaler“ Job. Auch deshalb hat die russische Regierung jüngst weitere 2,8 Milliarden Euro für den Ausbau von Skolkowo bereitgestellt.

All diese Anstrengungen für mehr Inno-vation können jedoch keine Früchte tragen,

wenn wir nicht ein globales Regime zum Schutz des geistigen Eigentums schaffen und geltende Regeln überdenken. Innovati-on baut auf der Weiterentwicklung von Vor-handenem auf, daher sind die effektive Re-gulierung von Eigentumsverhältnissen und der Zugang zu Wissen und Technologien entscheidend.

Ein anderer wichtiger Bereich ist das Ge-sundheitswesen. Im vergangenen Jahrhun-dert ist die Lebenserwartung in den Indus-triestaaten stetig gestiegen, was auch der wirtschaftlichen Entwicklung zugute kam. Heute jedoch kämpfen wir mit Krankheiten wie Übergewichtigkeit, Diabetes, Alzheimer oder Krebs. Infolgedessen steigen die Gesundheitskosten stärker als das BIP-Wachstum, was wirtschaftlich nicht nach-haltig ist.

Die G20 sollte daher Anreize in der Wirt-schafts- und Gesundheitspolitik besser mit-einander verbinden und den Fokus von der absoluten Lebenserwartung hin auf eine möglichst lange Lebenszeit bei guter Ge-sundheit richten. Somit könnten viele Menschen, die heute in ärztlicher Behand-lung sind, länger am Erwerbsleben teilha-ben.

Wir müssen Innovationsprozesse so dy-namisch, inklusiv und weitreichend wie möglich gestalten. Die russische Regierung und die großen Unternehmen sind heute bestrebt, bahnbrechende Innovationen in allen Bereichen zu fördern. Russland befin-det sich auf der Suche nach seinem Platz in der neuen Weltordnung und ist gleichzeitig dabei, neue Rahmenbedingungen für Inno-vation zu schaffen. Als Teil dieses Prozesses ist Russland bereit für Wandel und intensi-ve internationale Kooperation.

Der Autor ist Investor und Präsident der russischen Skolkowo-Stifung. Er leitet die B20-Arbeitsgruppe „Innovation und Entwicklung“ auf dem G20-Gipfel.

Sie erreichen ihn unter: gastautor@handelsblatt.com